5. MYTHEN DES STUDENTENLEBENS

Die Abiturzeugnisse sind raus, die Bewerbungsfrist an den Universitäten läuft, der Ernst des Lebens fängt an.

Steht ihr vor der Wahl ein Studium oder lieber eine Ausbildung zu beginnen? Wenn ihr mit ersterem am Liebeugeln seit, dann habt ihr bestimmt einige Bilder im Kopf, wie das Studentenleben wohl sein wird...


Vorab habe ich "nur" studiert und keine persönlichen Erfahrungen bezüglich einer Ausbildung gesammelt. Doch durch viele Freunde bin ich dennoch ganz gut informiert, würde ich behaupten. In den letzten Jahren ist mir bei Familie und Freunden aufgefallen, dass oftmals ein verschobenes Bild des Studentenlebens verankert ist. Vor allem wenn im näheren Kreis kein Student vertreten ist. Wahrscheinlich hervorgerufen durch einige Stereotypen und Vorurteile, oder ähnlichem.




Der Grund für den Beginn meines Studiums ist ein wenig zweifelhaft und ich hoffe stark das eure Beweggründe besser sein werden: ich wollte noch nicht in das Arbeitsleben eintreten, das "Studentenleben", so wie es mir in einigen Filmen (zugegeben meist amerikanischen) wunderbar erschien, leben und so ganz neben bei... hatte ich so ziemlich jede Frist verpasst. Sogar die für die NC-Studiengänge. Okay, keine optimale Voraussetzung aber dank google und Wikipedia habe ich dann eine Richtung gefunden die mir mehr als nur zusagt.

Hier möchte ich gerne ein paar Mythen aufdecken, die sich vor Beginn des Studiums in meinem Kopf festgesetzt haben

  1. Vorlesungsfrei = freie Zeit, so der Plan. In der Realität sieht es jedoch ganz anders aus, dann heißt es vorlesungsfreie Zeit = vorlesungsfreie Zeit. Nichts da mit dem Ausleben der Hobbys, den langen Partynächten und dem ganzen Spaß. Vorab heißt es Prüfungszeit - zumindest in dem Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften. Im Bachelor kommen die Grundlagen auf euch zu, mich quälten Physik, Chemie, Mathematik und Technische Mechanik die ersten 2 Semestern. Jeder Studiengang in dieser Richtung hat auch ein ganz besonderes "Aussieb"-Verfahren: Klausuren, die besonders anspruchsvoll sind. Die rauben einem dann auch gerne mal die ein oder anderen Wochen. Sind dann die Grundlagen überstanden kommen Belege, Hausarbeiten, ... hinzu. Anstatt die Tage Volleyball spielend am Badesee zu verbringen beglücken einem die Bibliothek, der Schreibtisch oder einen anderen Ort, an dem man sich konzentrieren kann. Und nein, lernen am See ist das Gegenteil von produktiv - auch wenn man mit Kommilitonen dort ist, das wird ganz sicher nichts!
  2. Das Studium ist die Zeit im Leben um die Welt zu bereisen! Passt sehr gut zu Punkt 1: Für eine weite Reise sind zumindest 3 Wochen Freizeit am Stück erforderlich. Nach Ablaufplan der Universitäten müsste das zu jeden Ferien der Fall sein. Im Laufe des Semester häufen sich dann schon jede Menge an Arbeiten... Und der Vorsatz direkt am Anfang anzufangen... Nun gut, der ist zwar oft da, aber realisieren lässt er sich auch nicht immer. Es müssen Erkenntnisse aus Übungen mit eingebracht, die ganz am Ende der Lehrveranstaltung stattfinden, die Belegausgabe verschiebt sich aus unerklärlichen Gründen, das Wetter ist einfach zu gut oder  es ergibt sich eine spontane Verabredung. Nicht zu vergessen dann noch die vorgeschriebenen Praktika - oder die freiwilligen. Wer denkt: "Ach, wenn ein Praktikum vorgeschrieben ist, dann wird dafür ja auch Zeit eingeplant sein", der irrt sich. Es gibt bestimmt einige Studiengänge, wo dies beachtet ist, in meiner Studienordnung jedoch nicht. Die Anforderung für meine Master ist ein 12-wöchiges Praktikum... Füllt übrigens jede meiner Semesterferien im Master, wenn ich kein Extrasemester einplane... Plant man dennoch eine größere Reise - was ich jedem nur empfehlen kann, denn trotz der geringen Anzahl an freien Tagen wird es nie mehr so mehr werden über einen langen Zeitraum zu verreisen - muss man ab und zu auch ein Auge zudrücken und die eine oder andere Prüfung schieben. 
  3. Party, Party, Party!!! Wer den so manchen amerikanischen Highschool Film gesehen hat träumt von atemberaubenden Partys. Im ersten Semester war ich auch einmal auf einer echten Studentenparty in einem Verbindungshaus - die Mitglieder waren alles Fechter, alte Tradition. Großes Potential und... große Enttäuschung. Partys im ersten Semester, daran dürfte es ja nicht mangeln. Zumindest die Studentenclubs organisieren in der Regel immer einiges. Doch dafür muss man auch zuerst einmal ein paar Leute kennen. Ich besuchte vor dem eigentlichen Semesterstart einige Vorkurse, dadurch habe ich schnell neue Leute kennengelernt - in meiner Stadt wohnen allerdings auch wenig Pendler. In anderen Großstädten (z.B. Richtung Ruhrpott) sieht das wieder anders aus. Verteilen sich die Kommilitonen in mehreren Städten wird es auch hier schwer einen gemeinsamen Abend dort zu verbringen, wo auch noch alle gut nach Hause kommen. Neben dem Studium jobben auch noch einige, mit Glück natürlich an der Uni oder (in meinem Fall) in einem Ingenieurbüro. Mit etwas weniger Glück unterscheidet sich der Nebenjob im Studium jedoch nicht viel von dem Job während der Schulzeit: im Bereich Gastronomie, im Discounter an der Kasse oder im Einzelhandel. Dort wird oft verlangt am Wochenende zu arbeiten und wer Samstag früh um 7 Uhr 8 Stunden lang arbeiten darf ist Freitag Abend demotiviert und Samstag dann zu müde. Da geht man ab und zu mal weg, jedoch bestimmt nicht zweimal jedes Wochenende... Die Wochenendgestaltung in meinem Freundeskreis hat sich in den letzten 4 Jahren auch stark gewandelt: die mehr oder wenigen wilden Clubnächten nahmen im Laufe des ersten Jahre stark ab, dafür stiegen die Kneipenbesuche und Spielebbende stark an. Aber inzwischen kannte man sich ja und man brauchte keine laute Musik und einen hohen Alkoholpegel mehr um ein peinliches Schweigen zu überdecke!
  4. Endlich beschäftige ich mich nur noch mit interessanten Dingen! Das mag zwar so sein, aber nur wenn dein Modulplan einen großen Wahlpflichtbereich aufweist - und in diesem die Auswahl auch noch groß ist. Ansonsten musst du durch Grundlagenfächer durch, wo man sich die ganze Zeit fragt... "Werde ich das jemals später brauchen?" Wahrscheinlich nicht. Vor allem im Bachelor war ein größter Teil der Pflichtfächer für mich... sagen wir einmal in Ordnung. Und im Wahlpflichtbereich gäbe es einige interessante potentielle Auswahlmöglichkeiten... Aber diese haben sich oft eher als öde bzw. zu zeitaufwendig entpuppt oder sind gar nicht erst angeboten worden. Ich kann jedoch sagen: Kopf hoch, im Master steigt der Spielraum und die Grundlagen sind vorbei! Nie zu vergessen, du studierst um später in deinem Traumberuf zu arbeiten also: Augen zu und durch!
  5. Geteiltes Leid ist halbes Leid - Phänomen Bibliothek Wer denkt, es motiviert einen während der eigenen Lernphase Leidensgenossen in der Bibliothek zu finden, der irrt sich; Erstens fühlt man sich kein bisschen besser, wenn die Person neben einem noch etwas viel komplizierteres lernt. Zweitens nervt es ungemein wenn gewisse Personen den Ort für ein kurzes Nickerchen missbrauchen (Wieso haben Sie Zeit dafür und ich so ein schlechtes Gewissen wenn ich nur dran denke?). Drittens lenkt man sich vielleicht nichtmehr alleine zu Hause ab, dafür starrt man gefühlt stundenlang auf den Bildschirm Fremder. Das Ende vom Lied (oder eines langen Tages): zum Kaffeetrinken bitte den Arbeitsplatz verlassen; überrascht das es doch noch viel schwierigere Fächer zum lernen gibt; viel weniger geschafft als eigentlich geplant. Trotz allem bin ich in der Bibliothek noch 100 mal effektiver als zuhause, da ich nicht auf die Idee gekommen in den ganzen Raum Ordnung zu schaffen oder mal das ganz komplizierte neue Gericht auszuprobieren. Um mich besser zu fühlen hat es zwar nichts gebracht, aber das wertet ein Telefonat mit einer Freundin auf, die zufälligerweise genauso wenig gemacht hat - oder es loyaler Weise einfache behauptet, damit man ruhig zu Bett gehen kann.
Mein ganz persönliches Fazit: das Studium mit seinen Vorteilen haben mich gelockt - nur um im ersten Semester von etwas besseres belehrt zu werden. Trotz all den falschen Motivationen und trotz zerschlagenen Hoffnungen kann ich nur sagen, dass es für mich persönlich keine bessere Entscheidung geben konnte! Ich bin zufrieden und genieße jeden Augenblick - sei es in meinem Nebenjob als Kellner, in der Bibliothek am lernen, oder in meinem jedes-Semester-Wiederkehrintervall "Ich bin zu doof und zu faul für dieses Studium, ich werde doch Barkeeper"-Phase: es ist die bisher schönste Zeit in meinem Leben


Die Mythen basieren aus eigener Erfahrung und da ich mein Studiengang der Ingenieurwissenschaft zugeordnet  müssen sie auf gar keinen Fall auf andere Disziplinen zutreffen. Vor allem in der Sparte Geisteswissenschaften könnte ein großer Teil nicht zutreffen!

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